Donnerstag, 18.06.2009
Nach einem weiteren Full English Breakfast sind wir gut gestärkt aufgebrochen. Julia war gestern abend noch todtraurig gewesen, dass es eigentlich keinen Sinn macht mit der Seilbahn zu fahren, da diese erst um 10 Uhr aufmacht und wir dann über eine Stunde warten müssten. Ralf heiterte Julia dann mit dem Vorschlag auf, nach Lynmouth zu laufen und dann mit der Bahn wieder hochzufahren. Dies würde von der Zeit her passen. So haben wir es dann auch gemacht.
Der Weg nach Lynmouth war extrem steil und zum Teil auch noch etwas feucht, so dass Julia einmal wegrutschte und auf dem Po landete und Ralf sich gerade noch an der nächsten Wand abfangen konnte. Der Weg führte immer wieder um die Bahn herum, so dass wir diese gut überblicken konnten und einen tollen Ausblick über das Meer und die Passstraße nach Porlock hatten.
Auch Lynmouth ist ein idyllischer Ort. Es gibt eine Schlucht, die touristisch aufgemacht ist und Öffnungszeiten hat. Leider hätte diese erst um 10:30 Uhr aufgemacht, also zu spät für uns. Insgesamt gibt es sehr viel schöne Natur, die durch zu viel von Menschen hinzugefügtes eher an Reiz verliert. Weniger ist manchmal einfach mehr.
In Lynmouth sieht man, dass der Ort vom Tourismus lebt, genau wie in Lynton, aber schön sind beide Orte dennoch. Mit der ersten Bergbahn sind wir dann wieder hinauf nach Lynton gefahren. Die Bahn besteht aus zwei Wagen, die sich vermutlich über eine Seilwinde gegenseitig ziehen. Die Fahrt ruckelt sehr, ist aber schön.
Bergbahn zwischen Lynmouth und Lynton
Wir sind dann zum Valley of the Rocks gefahren, einem Tal direkt nach Lynon, in dem viele große Felsblöcke zu sehen sind. Außerdem hat man auch hier einen klasse Blick auf das Meer. Es gibt viele schöne Wanderwege, aber da es jetzt wieder zu regnen begann, haben wir uns das verkniffen.
Stattdessen haben wir beschlossen eine kleine Passstraße Richtung Ilfracombe zu fahren, die eine Gebühr von einem Pfund kostete. Dies war der absolute Höhepunkt der Single Track Roads. Wir haben den ersten Gang als neuen Fahrgang kennen und lieben gelernt. Solch eine dramatisch schmale und meist auch komplett unübersichtliche Straße haben wir noch nicht erlebt.
Unterwegs haben wir viele Wanderer auf der Straße getroffen, die alle nett platz machten, aber anders wären wir nicht einmal an einem Fußgänger vorbeigekommen. Zwei mal trafen wir auch noch auf entgegenkommende Autos. Beim ersten Mal mussten wir zurücksetzen bis zur nächsten Ausweichstelle, beim zweiten Mal der Entgegenkommende. Faszinierend war das mitten in der Pampa an dieser Straße stehende Hotel. Wie kommt man dazu, hier in the middle of nowhere zu übernachten???
Nach dieser Straße kann uns nichts mehr erschrecken. Gelohnt hat sich aber trotzdem, auch wenn wir über jeden Meter froh waren, auf dem uns kein Fahrzeug entgegenkam.
Zufällig entdeckten wir noch einen Bahnhof eines kleinen Zuges, der noch mit Dampf betrieben wird und nur hin und wieder verkehrt. Wir kamen gerade an, als ein Zug abfuhr. So konnten wir das Schauspiel beobachten. Später sahen wir von der Straße aus noch die Dampfschaden.
In Ilfracombe besuchten wir ein altes Strandbad, das nur durch Tunnel in der Felswand erreichbar war. Dies nennt sich Tunnel Beaches. Die Tunnel sind nett, es hängen auch alte Berichte aus, die z.B. davon berichten, dass erst Anfang des 20. Jahrhunderts gemischtes Baden erlaubt war. Wären wir etwas früher gekommen hätten wir noch einen Blick auf den Gentlemen Pool erhaschen können. Dieser ist immer noch bei einem bestimmten Wasserstand sichtbar. Bei Flut wird das ganze Gebiet überspült und bei Ebbe läuft das Wasser heraus. Wir haben leider nicht mehr viel gesehen, da gerade die Flut alles überflutet hatte.
Tunnel Beaches in Ilfracombe
Ilfracombe hat auch eine nette Promenade und eine sehr stark frequentierte Hauptstraße. An der Promenade haben wir gemütlich gepicknickt und die Möwen beobachtet.
Man kann sehen, dass hier früher die wohlhabende Bevölkerung ihren Urlaub verbrachte. Der Glanz der früheren Jahre ist an vielen Stellen noch sichtbar, z. B. am zuvor beschriebenen Strandbad.
Wir entschieden uns noch zu einem Besuch in Arlington Court. Die letzte unverheiratete und kinderlose Lady Chichester, die 1949 verstarb, vererbte alles an den National Trust. Es handelt sich um riesiges Anwesen. Lady Chichester hatte eine absolute Sammelwut. So sammelte sie z. B. Kutschen aller Art. Sie besitzt nach der Queen die meisten Kutschen Großbritanniens. Es gibt in dieser Sammlung einige erlesene Stücke. Den Kutschen sieht man den Gebrauch deutlich an. Schade ist nur, dass man nicht fotografieren darf. Dies ist in den Räumlichkeiten, die zum National Trust gehören, wohl grundsätzlich nicht erlaubt.
Neben der Kutschenausstellung kann man auf dem weitläufigen Gelände spazieren laufen oder z. B. noch die Gärten besichtigen. Ein Teil des Gartens ist eine Parkanlage, der andere Teil ein riesiger Nutz- und Blumengarten. Man kann alles von der Aprikose bis zur Zucchini sehen.
Herrenhaus von Arlington Court
Im Herrenhaus war Ralf total enttäuscht, dass es hier kein Billardzimmer gab, aber bei Frauen war dies wohl nicht so wichtig. Dieses Haus ist sehr schön und vor allem nicht so extrem kitschig, wie viele andere Herrenhäuser. Im Haus konnte man die anderen Sammeltriebe entdecken. Hier gab es viele Schiffsmodelle, Muscheln und Gemälde zu bestaunen.
Wir fuhren dann noch ins Fischerstädtchen Clovelly, welches komplett autofrei ist. Autos müssen oberhalb auf einem eigens eingerichteten Parkplatz abgestellt werden. Durch das Visitor Center, in dem man Eintritt für den Ort bezahlt gelangt man auf den Weg nach Clovelly. Clovelly ist am Hang gebaut. Die Straße ist mit runden Steinen gepflastert. Mit Stöckelschuhen schwer zu laufen.
Clovelly
Der Hang ist sehr steil und schon beim Absteigen mussten wir aufpassen, nicht auszurutschen. Die schmale Straße ist von schönen weis getünchten Häusern gesäumt. Vor jedem Haus steht eine Art Schlitten, auf dem vermutlich alles in den Ort transportiert wird. Der Ort ist nach wie vor auch bewohnt.
Die Häuser sind vielfach von schön angelegten Vorgärten gesäumt. In diesem Ort gibt es auch einige Bed & Breakfast, aber wenn man hier das Gepäck nicht vor das Haus geliefert bekommt, hat man keine Freude. Ralf hat in einem Reiseführer gelesen, dass dies wohl durch Esel passiert. Esel stehen auf den Weiden oberhalb des Ortes und im Ort einige herum.
Wenn man in Clovelly lebt ist man fit, da man nie auf der Ebene läuft, sondern immer bergab oder bergauf. Bis zum Hafen von Clovelly sind es einige Höhenmeter. Am Hafen freute sich Julia, dass es endlich auch mal ein Hafenbecken zu sehen gab, in dem die Boote sogar im Wasser lagen und nicht gerade Ebbe war. Vom Hafen aus gibt es eine Möglichkeit mit einem Auto zum Parkplatz gebracht zu werden. Dies kostet pro Person fünf Pfund. Hierzu waren wir zu geizig und beschlossen auch fit genug z sein, die Höhenmeter zu überwinden. Es hat sich gelohnt, diese „Tortur“ auf uns zu nehmen und wieder hoch zu wandern. Aus dieser Perspektive sieht vieles anders aus.
Auf Grund der fortgeschrittenen Zeit beschlossen wir, uns in Hartland einzumieten. Wir fuhren in den Ortskern und suchten vergeblich nach einer Unterkunft. Auf dem Rückweg nach Clovelly hatten wir einige freie B&Bs gesehen. Zufällig entdeckten wir in einem Randwohngebiet von Hartland noch ein B&B. Dies war ein super Zufall, da wir ein super schönes Zimmer bekommen haben und auch noch günstig. Das Zimmer ist pikobello sauber und liebevoll eingerichtet. Es passt absolut alles farblich zusammen. Das Bad ist neu und perfekt geputzt. Dem Gästebuch nach zu urteilen sind wir in diesem Jahr die fünften Gäste. Hoffentlich haben sich nicht alle eingetragen, das wäre sonst schade. Die Gastgeberin ist eine Dame um die 60, die ihr Haus in Schuss hält. Es ist das erste Mal, dass wir keine Minifläschchen Shampoo, etc. erhalten sondern normale Flaschen und man sich das nimmt, was man benötigt. Julia hat vermutlich das Duschgel nicht vertragen und einen netten Ausschlag bekommen. Es wird aber schon wieder besser.
Von unserer Gastgeberin haben wir erfahren, wo die Essensmöglichkeiten im Ort sind. Richtig ans Herz legen konnte sie uns nichts, so haben wir das nächstgelegene, das Anchor Inn, ausprobiert. Es schmeckte lecker. Allerdings war das Personal größtenteils noch extrem jung. Wir sind uns nicht sicher, ob alle schon volljährig sind. Damit endet der heutige Tag auch einmal nicht so spät.
Morgen geht es dann zum Leuchtturm von Hartland, weshalb wir auch hier übernachten.