Dienstag, 16.08.2011: Von Stevenston nach Lochranza
Nach einer, wie befürchtet, sehr unruhigen Nacht, in der Julia die gemeinsame Decke in unserem sehr schmalen Bett doch einige Male sehr erfolgreich für sich beanspruchte, gab es ein leckeres typisch schottisches Frühstück. Unser Koch arbeitet bei zwei Arbeitgebern, morgens als Koch im B&B und abends in einem Restaurant. So wie es sich anhörte, benötigt er auch beide Jobs um seine Familie zu ernähren. Er erzählte, dass es in der Gegend um Ardrossan nicht viele Arbeitsplätze gibt.
Nach dem Frühstück fuhren wir im strömenden Regen zur Fähre nach Ardrossan. Dort holten wir unsere Tickets für die Fähre ab, die schon vorbereitet am Terminal lagen. Der Fähranleger war gut organisiert, es gab eine Spur für Großgerät, auf dem ein Radlader auf das Verladen wartete, eine Spur für Fahrzeuge, die nicht gebucht hatten, zwei Spuren für PKWs mit Reservierung und eine Spur für größere Lieferwägen. Während wir warteten, kam noch zwei Mal ein Lieferwagen für Lebensmittel nach Arran, die noch Waren in einen anderen auf die Fähre wartenden Lieferwagen umluden und wieder wegfuhren. Unsere Spur mit den reservierten Fahrzeugen durfte zuerst auf die Fähre. Wir mussten nach oben, als die Rampe voll war, wurde der hintere Teil nach oben geklappt und darunter beladen. Die Fahrt dauerte eine dreiviertel Stunde. Da es die ganze Zeit mehr oder weniger stark regnete sah man nach kurzer Zeit weder das Festland noch unser Ziel Arran. Die Insel Arran sah man dann auch erst ca. fünf Minuten bevor wir dort anlegten. Da wir beide schon lange nicht mehr Fähre gefahren sind und auch selbst noch nie mit dem PKW auf die Fähre gefahren sind, war es eine neue und interessante Erfahrung. Jedenfalls werden wir auch bei leicht unruhiger See nicht sofort seekrank. Uns ging es beiden gut!
Die Fähre verkehrt nach Brodick. Dort schüttete es dann in Strömen. Wir entschieden deshalb zuerst zu Brodick Castle zu fahren, da wir dort im Castle ohne nass zu werden viel sehen konnten. Wir waren unter den ersten Besuchern im Castle nach Öffnung und brachten die Freiwilligen des NTS bei einer wundervollen mit Stuck und Wappen verzierten Decken durcheinander, weil sie uns nicht genau erklären konnten, wie sich die Wappen nach einer Heirat ändern. Eine andere Freiwillige konnte weiterhelfen und erklärte, dass das Wappen der Dame auf der rechten Seite und das des Herren auf der linken Seite dargestellt werden. Wenn es dann zu voll wurde, ließ man einfach einzelne Teile weg.
Ein Gast setzte sich kurz an ein vorhandenes Klavier und spielte einige Töne an, schade dass er dann recht schnell wieder aufgab, da es keine verwendbaren Noten gab. Die Familie liebte das Jagen, so waren in der Eingangshalle 80 Hirschgeweihe aufgehängt. Das heutige Schloss war schon eher ein Schloss als ein Herrenhaus und hat eine lange Tradition, so sieht man auch an den verschiedenen Räumen, wann die Funktion der Festung zur Verteidigung wegfiel, da dann die Außenmauern auf einmal wesentlich dünner wurden. Faszinierend war auch hier ein Puppenhaus, das mit unendlich vielen Details liebevoll ausgestattet war. Ferner gab es Möbelstücke, die mit Einlegearbeiten wahnsinnig aufwendig gearbeitet waren. Diese würden sich in Mariannes Antiquitätensammlung gut machen.
Da der Regen etwas nachgelassen hatte, entschieden wir uns, auch noch einen Spaziergang durch den Garten zu machen. Der ummauerte Garten war hier komplett anders angelegt als gestern, aber auch sehenswert. Das Eishaus ist auch eine interessante Konstruktion. Hier wurde vor der Erfindung des Kühlschrankes Eis aus Amerika importiert und in einem tiefen Loch gelagert, über das ein Haus gebaut war. In diesem Haus war es dann so kühl, dass man hier Lebensmittel über einen längeren Zeitraum lagern konnte, die nicht geräuchert oder eingekocht waren.
Als es wieder zu regnen begann, fuhren wir zu einem Museum, in dem die Geschichte der Insel Arran erzählt wird. Da sich fast alles in kleinen weißgetünchten Häuschen abspielte, war der Regen nicht schlimm. Hier konnten wir ein Schulzimmer, eine Schmiede, ein Schlafzimmer und vieles mehr bewundern. Zufällig trafen wir eine Dame an einer ausgestellten Telefonvermittlungsstelle, die erzählte, dass sie genau an einem solchen Gerät früher gearbeitet hatte. Die Dame, die ebenfalls eine Besucherin war, erklärte uns auch die Funktionsweise. Wieder hatten wir Glück und konnten bei strahlendem Sonnenschein auch noch die außen ausgestellten Gegenstände besichtigen.
Dieses ständige Wechselspiel von Regen und Sonne sollten wir heute noch einige Male erleben. Es ist auch nicht verwunderlich, dass es so häufig wechselt, da ein sehr starker Wind ging.
Nach einem sehr kurzen Abstecher in einem Lebensmittel-Outlet-Center fuhren wir nach Lochranza. Die Strecke war extrem abwechslungsreich. Wir fuhren bis Sannox direkt an der Küste entlang, durch den kleinen Ort Corrie und dann ging es ins Gebirge. Wir kamen uns bereits wenige Meter nach der Küste wie im Hochgebirge vor. Man kann die Bergwelt von Arran durchaus mit den Highlands vergleichen. Arran hat auch den Ruf, Kleinschottland zu sein, da auf der Insel die Hauptinsel in einem kleinen Ausmaß noch einmal erlebbar ist. Morgen werden wir uns dann die Lowlands vornehmen, mal sehen, ob auch wir das so empfinden.
Nach einer schönen Tour durch das Gebirge auf einer teilweise schon recht abenteuerlichen Straße, kamen wir in Lochranza an. Wir schauten uns die wenigen Überreste von Lochranza Castle, einer sehr schlecht erhaltenen Ruine an und fuhren dann weiter nach Catacol. Dort stehen 12 winzige Reihenhäuschen, alle einheitlich gebaut. Sie sehen süß aus, sind aber zum darin Leben zu klein. Wobei wir uns das schon bei vielen Häusern gesagt haben, aber vielleicht sind auch einfach die Ansprüche von uns zu hoch. Unser Haus erscheint uns hier oft schon riesig.
Auf dem Weg zurück von Catacol nach Lochranza kamen wir an der Fähre nach Claonaig vorbei, die wir übermorgen nach Kintyre nehmen wollen. Diese Fähre gehört wie die Fähren von Ardrossan nach Brodick zu Caledonian MacBryne, ist aber richtig beschaulich. Hier legt die Fähre an und dann fahren die max. 18 Autos drauf. Ein Deck für Fahrgäste gibt es nicht, die Autos werden von einem der beiden Besatzungsmitglieder per Winken zum Einfahren aufgefordert, während auf der anderen Fähre alles mit viel mehr Personal ablief. Das sind schon zwei völlig verschiedene Welten. Das wirkte hier auch alles viel entspannter.
Wir checkten dann noch in unserem B&B ein und erhielten dort eine guten Tipp für unser Abendessen. Im Stags reservierten wir einen Tisch, den wir nur bekamen, weil kurz zuvor noch jemand seine Reservierung storniert hatte. Das Stags liegt fast genau gegenüber von der Lochranza Destillerie in der wir eine VIP-Tour mitmachten. Der erste Teil der Tour führte mit der normalen Tour durch die Räumlichkeiten der Destillerie. Da dort erst heute wieder mit Herstellungsprozess begonnen wurde, war manches noch nicht zu sehen. Beispielsweise war der Spirit Safe noch außer Betrieb. So konnten wir auch dort in aller Ruhe fotografieren. Auch die Brennblasen waren noch leer, da es noch keine Würze zum Destillieren gibt. Gerard unser Guide erklärte uns auch alles auf eine angenehme Art und Weise. Die Destillerie ist erst 16 Jahre alt und gehört somit zu den Jüngsten in Schottland. Der älteste angebotene Whisky ist 14 Jahre alt. Nach einem Blick auf die Abfüllanlage endete die normale Führung und Gerard verwies uns beide an seine Kollegin Faye, die mit uns den VIP-Teil der Tour absolvierte. Faye ist die Chefin des Visitor Centres und kennt sich auch sehr gut aus. Sie brachte ihre neue Kollegin mit, die am 1. August im Verkauf angefangen hatte und nun das Unternehmen vor Ort kennen lernen sollte, ihr Name ist Paulina.
Zuerst gingen wir zum Fluss, an die Stelle, an der die Destillerie das Wasser für den Whisky entnimmt. Am anderen Ufer, zwei drei Meter vorher, entnimmt die Stadt das Wasser für die Bürger. Die Wasserentnahmestelle der Gemeinde muss vor der der Destillerie liegen, um die Wasserversorgung der Bürger sicher zu stellen. Die Destillerie hat die Genehmigung 24 Stunden pro Tag und 7 Tage die Woche Wasser aus dem Fluss zu entnehmen, wobei es ein kleiner Fluss ist. Die Destillerie wurde an dieser Stelle gebaut, da hier das reinste Wasser auf Arran zu finden war. Dies hatte eine Uni getestet.
Ralf entnahm noch einen Krug mit Wasser, das wir für das spätere Tasting verwenden wollten. Dann ging es in die Lagerhäuser. Drei Stück sind auf dem Grundstück angesiedelt. Einige Fässer werden bei Bladnoch auf dem Festland eingelagert. Bei Arran ist es noch nicht so üblich, die Fässer aus Versicherungsgründen weiter zu verteilen, damit bei einem Brand nicht die komplette Lagerung vernichtet wird. Die älteren Fässer sind alle noch in verschiedenen Farben gestrichen und mit Jahreszahlen versehen, die neuen Fässer haben nur noch einen langweiligen Barcode. Wir durften in alle drei Lagerhäuser. Zwei sind nach dem üblichen Prinzip mit Holzbalken angelegt, in welchen man alle Fässer umlagern muss, um an ein Fass aus der untersten Reihe heranzukommen. Das neue System ist so gemacht, dass man mit einem Stapler an alle Fässer einzeln herankommt.
In diesem neuen Lagerhaus sind auch alle Fässer gelagert, die schon als Fass verkauft wurden, das sind hier gar nicht so wenig. Es gibt auch ein Fass, das Ewan McGregor gehört und jeweils ein Fass von Prinz William und Prinz Harry. Die Queen hatte die Destillerie damals eröffnet, deshalb der Bezug zur königlichen Familie. Lagerhäuser sind einfach immer wieder ganz toll!
Dann ging es zum Tasting. Das Tasting wurde zu einem Gelage, weil wir alle Whiskys probieren durften, die wir wollten. Zuerst begannen wir mit dem Standard, einem 10 jährigen Arran. Danach entschieden wir uns schon, uns immer einen Dram zu teilen. Der 14-jährige war der nächste und auch schon einer von Julias Favoriten. Grundsätzlich schmeckt der 10-jährige beim Riechen nach Vanille, der Geschmack ist jedoch eher nach Zitrone und im Abgang salzig. Beim 14-jährigen ist der süße Vanilleduft nicht mehr vorhanden, er schmeckt jedoch insgesamt runder. Danach gab es eine Fassabfüllung aus einem Bourbonfass. Diese war ok, aber besser schmeckte uns beiden die Abfüllung aus einem Muskateller Weinfass. Diese war unser beider Favorit, ist jedoch leider ausverkauft und ist derzeit auch nicht mehr geplant. Anschließend gab es noch ein Sauternes Finish, dieser war auch nicht schlecht, aber kam nicht an die Muskateller Abfüllung heran. Wobei das nach so viel Whisky auch eine historische Verklärung sein kann. Danach war allerdings noch nicht Schluss, es gab noch ein Abfüllung aus einem italienischen Rotweinfass, wir wissen leider den Namen nicht mehr (Am???). Der letzte Whiskydram war ein Sleeping Warrior. Dieser Whisky wurde in Bourbon-, Sherry und abschließend in Weinfässern gelagert und anschließend zusammengemischt und abgefüllt. Pro verkaufter Flasche wird bei diesem letztgenannten Whisky ein Pfund dem National Trust of Scotland gespendet, der auf Arran auch alle Wanderwege erhält. Faye kam dann zum Ende des Tastings mit dazu und nötigte uns dringend auch noch vom Gold of Arran Likör zu probieren. Gegen Ende des Tastings war auch James der Masterblender dazugekommen. Der Masterblender ist dafür verantwortlich, regelmäßig die verschiedenen Fässer zu testen und die Auswahl zu treffen, welche Fässer in welcher Edition verwendet werden. So ist es zum Beispiel das Ziel, dass der 10-jährige jedes Mal gleich schmeckt. Dies kann nur erreicht werden, wenn man sehr viele Fässer kombiniert. James ist um die 60 Jahre und kommt ursprünglich von der Bowmore Destillerie. Wir baten James, mal wieder eine Muskatellerabfüllung zu machen, mal sehen, was daraus wird.
Während des Tastings hatten wir uns schon am Tresen festgehalten, aber nun wurde es ernst und wir mussten unsere Jacken wieder anziehen und zum Restaurant laufen, in dem wir zu Abend essen wollten. Das war schon eine Härteprüfung, weil wir mehr als genug Whisky auf unsere recht leeren Mägen getrunken hatten.
Eine Besonderheit auf Arran sind die Tiere, die überall frei herumlaufen. Wir haben schon Rehe und Hirsche, Eichhörnchen, Schafe, Kühe und Rinder angetroffen.
Im Stags gab es für uns zusammen eine leckere Vorspeise und für Ralf heimischen Hummer und für Julia Meeresfrüchterisotto. Nach einer ebenfalls sehr guten Nachspeise hatte sich der Alkoholpegel bei Ralf wieder soweit gesenkt, dass er sich das Auto fahren zutraute. Bis zu unserer Unterkunft, der Kincardine Lodge, war es auch nur ca. 1 km.
Zurück in unserer Unterkunft genossen wir den tollen Blick über Kintyre, Agryll und Bute.
Ihr Lieben,
es ist wieder ein Hochgenuß, Eurer Reise und Euren Erlebnissen zu folgen und die schönen Formulierungen lassen uns immer wieder schmunzeln.
Es freut uns sehr, daß bisher alles gut geklappt hat und wir wünschen Euch auch, daß sich das Wetter bald bessert. Regen hattet Ihr nun wirklich mehr als genug!
Auch der Besuch in der Lochranza Destillerie scheint ja ein voller Erfolg gewesen zu sein und ich kann Euch nur wünschen, daß Ihr in 10 Jahren einen Whisky mit Muskateller Finish bekommen werdet!
Weiterhin einen schönen Urlaub und viele tolle Erlebnisse und auch viele Grüße von Oma.
Dieter
PS: Rosi will einen eigenen Kommentar schreiben